7 - Die Gnade der Hierarchie
Wie nur soll ich dem kompliziertesten Konstrukt der Menschheit, diesem funkelnden Edelstein aus Emotionen und vermeintlicher Logik, nämlich der Hierarchie und der durch sie verursachten Gnade gerecht werden? Ähnlich dem Gotte Mammon, dessen Allmacht ich schon weiter oben gepriesen habe, umfasst und bestimmt sie das gesamte Da- und Sosein des Menschen, von der Wiege bis zum Grabe. Und ist es nicht wirklich und wahrlich wunderbar, wie dieses künstliche Gebilde, das nur aus der Fantasie des Menschen stammt, seine Existenz, sein Vorwärtskommen (oder was er dafür hält) und sein Glück bestimmt? Wohl dem Manne oder der Frau, der früh die geballte Macht der Hierarchie erkennt und sein weiteres Leben darauf ausrichtet, die Hierarchie wird ihm ihre Gnade erweisen, wie allen, die ihr ohne lästiges Nachfragen dienen.
Stärker ist sie als alle Fakten, stärker als jedes Genie, das glaubt, ohne sie auszukommen, stärker als jede Freundschaft, die sie beiläufig beenden kann, wie sie nur will, stärker sogar manchmal als die Liebe, die einer geordneten Fortführung der Hierarchie und ihrer Gnade nur im Wege steht in ihrer unabsichtlichen Auflösung der Machtverhältnisse zwischen zumindest zwei Menschen. Niemand auf dieser Welt kommt ohne Hierarchie aus, sie transzendiert Nationalitäten und Rassen, Religionen und Systeme und sie ist es, die in Wahrheit alle Menschen gleichmacht, denn welch ein Unterschied besteht schon zwischen einem um Kredit buckelnden Bauern aus der Ukraine und seinem Pendant aus den USA, wenn beide die gleichen uralten Rituale der Unterwerfung unter die etablierte Ordnung vollziehen?
Ganz eigentlich liegt die Gnade der Hierarchie in der Erkenntnis ihrer Allumfassenheit. Vielleicht der Hauptzweck der Hierarchie, sicher aber ihre unmittelbarste Auswirkung ist die Verewigung ihrer Existenz bei gleichzeitig unendlichem Wachstum. Wie viel Genie ist darauf verwendet worden, immer neue überflüssige Posten zu schaffen, immer neue Geldausgaben zu ersinnen, damit auch im Folgejahr der Rubel rollt wie bisher? Dieses hervorstechendste Merkmal der Hierarchie, ihre Aufblähung bei gleichzeitig sinkender Effizienz ist nicht anderes als die Entsprechung unserer Realität, wo ein sich aufblähendes Weltall bei immer grösser werdender Entropie zu dem Zweck geschaffen scheint, den sich gleichermassen vergrößernden Hierarchien auch genügend Platz zu bieten, wir erkennen einen wahrhaft göttlichen Plan!
Gerechtigkeit steht an vorderster Front der Gnadengeschenke der Hierarchie, denn nicht nur ist es gleichgültig, ob ein beliebiges Mitglied der Hierarchie fähig ist, seinen Posten auszufüllen, sondern die Hierarchie in ihrer Gnade regt den menschlichen Geist zu ungeahnter Kreativität an, die darauf gerichtet ist, jegliche Effizienz zunichte zu machen und dadurch ein Arbeitsklima zu schaffen, das für den Langsamsten oft zu schnell erscheint und dadurch wahrlich demokratisch jeden gleichermaßen behindert. Einsicht in die Ohnmacht des einzelnen - was sind wir schon angesichts von Sonnenflecken, Steuerreformen oder Tsunamis mehr als arme, eingebildete Menschlein? - ist ein zweites Geschenk der Hierarchie, die damit auch die christliche Forderung nach Demut als wahre Tugend auf ihre Fahnen schreibt. Gleichheit: diese zentrale Forderung der französischen Revolution ist in jeder Hierarchie per definitionem verwirklicht, denn jeder, aber auch wirklich jeder ist gleich unzufrieden, sei er ganz oben oder ganz unten in welcher Hackordnung auch immer. Und ehrfürchtig erstaunt steht der Mensch vor dem wahren Wunder der Hierarchie, denn so unglaublich es auch erscheinen mag, so gibt es doch manchmal unerwarteter Weise Resultate, die mitunter sogar so beabsichtigt waren. Allerdings kann man nicht klar genug betonen, dass Ergebnisse eindeutig nicht der Zweck der Hierarchie sind, sondern im Normalfall zwar gleichgültig dankend entgegen genommen werden, aber auf Dauer den geordneten Ablauf des täglichen Lebens nur stören.
Und welch ein Leben das ist! Mit ständig bis aufs höchste geschärften Sinnen nimmt der Angehörige der Hierarchie seine Umwelt in sich auf, er ist sich immerzu der bis in kleinste Verästelungen reichenden Rangfolge seiner Mithierarchisten und natürlich seines Platzes in ihr bewusst. Jedes Niesen seines Chefs, jeder Fehltritt eines Gleichgestellten wird registriert, bewertet und abgelegt, der wache Geist des hierarchischen Menschen ist ein Beweis für die Nützlichkeit der Form. Dafür muss der aufstrebende Angestellte bei allen Wohltaten, die er erhält, auch seine Pflichten erfüllen, die darin bestehen, nach oben alles zu lecken und nach unten alles zu treten, was sich nicht wehren kann. Aber daran gewöhnt man sich schnell, wie jeder neue Tag millionenfach beweist, und es ist ein kleiner Preis, fast nur ein sportliches Ringen, den jedes Mitglied einer Hierarchie bezahlt. Wahre Kämpfer sind das, ebenbürtige Abbilder des Jägers und Sammlers aus der Frühzeit des Menschen, nur dass man eben keine Früchte sondern Beweise gegen jemand sammelt, dass man statt gegen einen Bären gegen seinen Vorgesetzten kämpft, den man so bald wie möglich ersetzen will. Und dort angekommen, auf dem Posten seines Vorgängers findet jedes Mitglied einer Hierarchie seine wahre Gnade, jedermann endet irgendwann auf einer Stelle, die ihn überfordert. Aber das ist kein Fehler, sondern Sinn und Zweck der Hierarchie, die endlich, endlich nach langer Anstrengung einem jeden zeigt, dass er überflüssig ist, dass er sich guten Gewissens im Glanz seiner ganz gewöhnlichen Unfähigkeit sonnen kann, dass er sich entspannen kann, dass er eins ist mit seinen Mitmenschen. Ist größeres Glück denkbar?
06.10.2013
Es gibt viele Gründe, Flughäfen nicht zu mögen. Schon die Anlage eins solchen ist heutzutage mit großen Schwierigkeiten verbunden, denn auf die Annehmlichkeiten der schnellen Verbindung will kaum jemand verzichten, aber im Einzugsgebiet eines jeden Flughafens kämpft der Bürger mit Lärm - und Naturschutzargumenten gegen eine solchen in seiner Nähe. Das haben Flughäfen mit Atomkraftwerken, Asylantenheimen, Endlagerstätten und psychiatrischenKliniken gemeinsam; alle diese Einrichtungen und etliche andere mehr sollten eigentlich mindestens einen Kilometer unter der Erdoberfläche liegen, wenns nach dem Wutbürger geht. Ist bei Flughäfen natürlich schwer zu machen. Was mich ungemein ärgert, ist die Tatsache, dass Flughäfen heutzutage in schamlosester Weise den Konsum verherrlichen. Abgesehen von der Unverschämtheit, manche Flughäfen so zu bauen, dass man nur mit einem Hindernislaufen durch die Duty - Free - Zone das Abfluggate erreichen kann, ist die Zurschaustellung vollkommen überflüssigen Luxus' geradezu obszön. Teuerste Parfums und sonstige Cremes, Mode, Zigaretten und Alkoholika stehen vor dem Passagier Spalier und werben auf aufdringlichste Weise um seine mitgebrachten Devisen. Nein, nein, nicht dass man dieses falsch versteht, man nimmt auch Dollar, Euro, libanesische Pfund, wahrscheinlich auch Goldbarren oder Blutdiamanten aus dem Kongo. Hier in Beirut ist die Ansammlung der Boutiquen nicht nur in der Stadt sondern auch am Airport von für mich unbekannter Dichte. Als ganz besonders pervers empfinde ich die Werbung, die die bekannten Models mit kurzen Kleidern, tiefen Ausschnitten, nackten Armen und Beinen und wallender offener Haarpracht präsentiert. Gleich nebenan geht's zum Gebetsraum für Muslime, und mindestens die Hälfte der anwesenden Frauen geht mit Kopftuch und den alles verhüllenden langen Gewändern an dieser Zurschaustellung vorbei. Nur die Bedienung ist nach westlicher Art gekleidet und stolziert mit unendlich gelangweilten Mienen immer wieder ein paar Meter hin und her vor den Waren herum. Je weiter man in Richtung Golf vordringt, umso schizophrener wird dieses Missverhältnis, das schlussendlich nichts anderes zeigt, als die Macht des Geldes über jede noch so heftige Verteidigung irgendwelcher Werte, seine sie christlich oder muslimisch. Wenn ich doch darin nur etwas Positives sehen könnte! Das Totschlagargument der Wirtschaftskraft und der Arbeitsplätze kommt mir schon zu den Ohren heraus, fällt uns wirklich nichts Besseres für ein blühendes Gemeinwesen und ein sinnvolles Leben ein als Konsum bis zum Erbrechen? Gehört eine Rolex, ein Dior-Parfum, ein Porsche zum unverzichtbaren Glück? Mich schaudert bei dem Gedanken, aber vielleicht bin ich nur ein unverbesserlicher Gutmensch, der einen Strandspaziergang einem Duty -Free-Einkauf vorzieht, von Volkswirtschaft keine Ahnung hat und gefälligst schnellstens weitergehen und dem nächsten Konsumenten Platz machen sollte. Wer hat behauptet, dass Geld nicht stinkt? In denn Flughäfen dieser Welt hat es den Geruch Chanel und Lancome, und ich bin jedes Mal froh, wenn ich aus den Tempeln heraustrete aufs Rollfeld, möge dies auch noch so sehr nach Kerosin riechen.....
05.10.2013
Wie immer, wenn ich mit Djiby unterwegs bin, fällt es mir schwer, meine regelmäßigen Blogeinträge durchzuhalten. Das Zusammenleben mit Afrikanern gefällt mir ungemein, es lässt aber vergleichsweise wenig Zeit für das, was wir Europäer als Privatleben bezeichnen. So gut wie alle Aktivitäten im Zusammenleben werden gemeinsam durchgeführt, man ist auch nicht so oft für sich, wie man es gewohnt ist. Ich brauche immer mehrere Tage, bis ich (zum x-ten Mal) bemerke, dass eigentlich ich selbst es bin, der sich (zum Beispiel) am Schreiben hindert. Dann wird es leichter und ich mache das, was meine afrikanischen Freunde auch tun, nämlich sich nicht stören zu lassen von der Anwesenheit anderer und einfach das machen, was gerade anliegt. Ich beobachte also bei mir selbst immer wieder eine Kulturverwirrung, und das, obwohl ich zum Beispiel mit Djiby ja gut befreundet bin und - wie man hier feststellt - mich bemühe, über kulturelle Unterschiede nachzudenken. In Indien ist der Drang zum Zusammensein noch viel stärker als in Afrika; allein zu sein ist dort fast eine Schande, auf jeden Fall ein bedauernswerter Zustand. Ein jeder Inder aber hat die Fähigkeit, seine eigene Privatsphäre um sich herum aufzubauen und kann selbst in einer Menschenmenge im Handumdrehen vollkommen in sich selbst versinken und sich gleichsam an einen persönlichen Ort zurückziehen, an dem er seinen Überlegungen nachgeht. Auch das ist etwas, das ich mir bei Aufenthalten in Indien mühselig angeeignet habe und jedesmal neu erarbeiten muss, wenn ich nach längerer Abwesenheit dorthin zurückkehre. In Afrika beobachte ich dagegen des öfteren, dass Afrikaner, die allein sind, in einen Wartezustand verfallen, in dem sie notfalls tagelang verharren können, ein Verhalten, das der große Afrikakenner Richard Kapuczinsky in seinen Büchern treffend schildert. Sicherlich ist dieses Verhalten der afrikanischen Realität geschuldet, in der es überlebensnotwendig ist, möglichst energiesparend und relativ bewegungslos zu verharren, indem man zum Beispiel - wie man immer wieder beobachten kann - klaglos in größter Hitze auf das zu keiner bestimmten Zeit ankommende Transportmittel wartet, oder eine Dürreperiode übersteht. Jetzt habe ich mich daran gewöhnt, dass ich - zum Beispiel - dies hier gerade schreibe, und ab und zu Djiby hereinkommt, mich etwas fragt oder einfach nur sich hinsetzt und seine Facebook - Seite pflegt, während ich weiterschreibe. In Deutschland würde ich mich verpflichtet fühlen, meine Arbeit zur Seite zu legen, um mich mit dem "Gast" zu beschäftigen, hier ist das nicht nötig und wird nicht als unangenehm empfunden, im Gegenteil. Dies ist ein Aspekt der afrikanischen Gesellschaft, den ich - nach der Eingewöhnungszeit - als angenehm empfinde und den ich als "zivil" bezeichnen möchte. Ein weiteres Beispiel: Durch die orale Kultur fast aller afrikanischen Gesellschaften bedingt, gibt es in vielen Städten und Dörfern Afrikas kaum Straßenschilder. Wenn man also eine Adresse oder überhaupt irgend etwas finden möchte, muss man jemanden fragen, und zwar ständig und unentwegt. Da dies aber jedermann tun muss, unabhängig von Stand oder Besitz, hat sich - zumindest in meinen Augen - eben diese "Zivilität" entwickelt, die es möglich und alltäglich macht, ständig sich anderen gegenüber in eine "Schuld" zu setzen, die als selbstverständlich empfangen und zurückgegeben wird. Natürlich bleiben die enormen materiellen und rechtlichen Unterschiede und Ungerechtigkeiten innerhalb der afrikanischen Gesellschaft bestehen, welche Ursache vieler Probleme in diesem Kontinent sind und sich auf zum Teil grausame Weise zeigen. Und doch empfinde ich es als wunderbar, dass ich auf jeden zugehen kann, ihn ansprechen kann und ganz selbstverständlich mich auf seine Hilfe verlassen kann. Das, leider, ist in meiner Heimat längst nicht alltäglich! Dies habe ich schon des öfteren erlebt, wenn ich beseelt aus Afrika oder Indonesien kam und voll der Erleuchtung mich eines ähnlichen Verhaltens befleißigte. "Wat will der Idiot" war noch eine der harmloseren Reaktionen darauf und hat mich dann schnell wieder auf den harten Boden der Tatsachen zurückgeholt. Ich liebe meine Heimat, wohlgemerkt, bin stolz auf die sozialen Errungenschaften, die wir uns erkämpft haben und lasse das im Ausland bei jeder passenden Gelegenheit auch durchklingen. Aber in Punkto zwischenmenschlicher Beziehungen, Freunde, da können wir noch von den Afrikanern und anderen Drittweltbewohnern lernen!
Das GMO mit dem BuJazzO und dem mauretanischen Sänger Cheickh Lehbiadh im Mai 2013 in Dakar
Endlich ist es soweit: Mike Herting und Djiby Diabate haben ihre erste CD "Saint-Louis Blooze" fertiggestellt. Im März wird sie erscheinen und bei einem Konzert am 19.3. im Stadtgarten zu Köln vorgestellt. Die beiden haben sich letztes Jahr auf den Straßen von Dakar kennegelernt und sind gleich darauf zum Jazzfestival in Saint-Louis im Senegal eingeladen worden. Nach diesem sehr erfolgreichen Konzert sind sie im Juli ins Studio gegangen. Zitat eines Kollegen: "Tolles Zusammenspiel, wunderschöne Platte!" Kommt zum Konzert!
20.02.2013
Fünfzehn Mal am Tag - Afrikanisches Immunsystem -
Saint-Louis Blooze
Seit vier Tagen bin ich wieder in Deutschland und nur die in Afrika erworbene Widerstandskraft schützt mich gegen die akute Grippewelle(sagen die Afrikaner, die ich angerufen habe). Alle, aber auch alle liegen darnieder, inklusive meiner Frau Sabine. Ich wasche mir fünfzehn Mal am Tag die Hände und hoffe auf das Beste.
Wie immer komme ich aus Afrika mit viel Energie zurück; ich stehe einfach auf Kommunikation, je direkter desto besser, und die schon mehrfach beschriebene orale Kultur der Afrikaner ist, wenn man sie in Europa richtig anwendet, erstaunlich effektiv, ganz abgesehen davon, dass sie schnell ist und Spaß macht. Ich habe mir vorgenommen, diese Seite der Kommunikation zu stärken, selbstverständlich ohne auf diesen Blog oder Emails zu verzichten.
Dominik Seidler vom Deutschen Musikrat führt einen heldenhaften Kampf um die Bezuschussung der Afrika-Tournee mit den entsprechenden Stellen. Dabei stoßen wir überall, beim Goethe-Institut und beim Auswärtigen Amt auf Wohlwollen und Verständnis, aber der Teufel steckt wie so oft im Detail. Afrikanische Wirklichkeit in Excel-Tabellen abzubilden ist eben eine besondere Kunst, aber ich bin sicher, das wird uns auch noch gelingen. Täglich maile und telefoniere ich mit Afrika, besonders mit Prof. Jeismann vom Goethe-Institut und unserem Tourmanager Balde, der sich immer mehr als Glücksgriff entpuppt und alles, was geht, möglich macht. Ich denke, wir sind ganz gut aufgestellt, und das läßt mich trotz der sicherlich zu erwartenden Probleme und Änderungen vor Ort ruhig schlafen. Eigentlich unglaublich, was wir in den drei Wochen in Afrika erreicht haben, im Nachhinein war das ganz schön gewagt, was wir uns so vorgenommen haben. Aber wenn das jetzt klappt, dann wird es etwas ganz Besonderes! Inzwischen habe ich eine ungefähre Idee von Darstellung und Klang der Musik, die wir aufführen werden, und das Gute dabei ist, es ist ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe! Gestern habe ich meinen Freund, den großen afrikanischen Schlagzeuger Mokthar Samba angerufen und ihn gefragt, wo ich denn Gnawa-Musik erleben könnte. Dazu ist zu sagen, dass die Gnawa seit Jahrhunderten sich zwischen Guinea (daher Gnawa) und Marroko hin-und herbewegen und ich, als ich sie zum ersten Mal gehört habe, sogleich dachte: Hier ist ein Ursprung des Jazz, 12er und 6er Rhythmen, die zweifellos in den Swing geführt haben. Gnawa spielen oft mit den doppelten Löffeln aus Metall, und wer das kennt, weiß, wovon ich schreibe. Diese Transformation der Sechs in die Vier ist wirklich ein großes Geheimnis, und ich möchte das in der Musik unserer Afrikareise darstellen.
Na, Mokthar sagte gleich: Essaouira, die etwas nördlich von Agadir gelegene Stadt am Meer in Marokko, da sind viele und auch die besten Gnawa, er kennt natürlich einige. Um die Musik für den Mai zu schreiben - ich muss doch viel mehr selbst komponieren, als ich ursprünglich dachte - hatte ich mir überlegt, einige Tage an der Schnittstelle zwischen Schwarz und Weiß in Klausur zu gehen und abends Gnawa-Musik zu hören. Nun wird es halt Essaouira und die Tickets habe ich schon. Gerade läuft die Freundes-Maschine an und ich hoffe, die richtigen Telefonnummern und Adressen in Essaouira zu bekommen, sonst fahre ich eben so hin.
Am Wochenende habe ich zum ersten Mal "Saint-Louis Blooze", Djiby Diabates und meine erste CD in den Händen gehabt, die wir am 19. März mit einem Konzert im Stadtgarten vorstellen werden. Mir gefällt sie wirklich gut - was keinesfalls den Normalfall darstellt, Musiker wissen, wovon ich spreche! - und die erste Reaktion eines geschätzten Kollegen war: "Tolles Zusammenspiel, sehr schöne Platte!" Na, das macht Mut, und ich hoffe, auch Euch gefällt diese Musik und ihr kommt vielleicht sogar zum Konzert!
Endlich ist es soweit: Mike Herting und Djiby Diabate haben ihre erste CD "Saint-Louis Blooze" fertiggestellt. Im März wird sie erscheinen und bei einem Konzert am 19.3. im Stadtgarten zu Köln vorgestellt. Die beiden haben sich letztes Jahr auf den Straßen von Dakar kennegelernt und sind gleich darauf zum Jazzfestival in Saint-Louis im Senegal eingeladen worden. Nach diesem sehr erfolgreichen Konzert sind sie im Juli ins Studio gegangen. Zitat eines Kollegen: "Tolles Zusammenspiel, wunderschöne Platte!" Kommt zum Konzert!
16.02.2013
Viel zu kleine Penisse
Tja, ich habe aus Versehen den Titel dieser kleinen Geschichte, die ich letztes Jahr in Dakar erlebt habe, auf Facebook gepostet und stehe jetzt unter dem Druck der neugierigen Öffentlichkeit, die von mir wissen will, was das bedeuten soll; und vor allem, was das mit Musik zu tun hat? Wenn ich das wüsste! Eigentlich nichts, aber dennoch auch alles, entscheidet selbst. Außerdem muss ich vorsichtig sein, nicht des Rassismus verdächtigt zu werden, auch wenn ich sozusagen nur einen Bericht weitergebe, und werde deshalb anrüchige Bezeichnungen schwärzen, obwohl es mir scheint, dass selbst das Schwärzen zumindest tendenziell rassistisch ist. Da es das Weißen aber bei genauerem Nachdenken auch wäre, und ich beides und auch alle anderen Farben und Religionen mit meinem Gerät sowieso nicht kann, werde ich mich dieser Gefahr durch das bewährte neutrale wertfreie Pünktchen - Setzen entziehen.(Das arme Pünktchen! War es nicht einmal ein Punkt? Schluss jetzt damit!)
Nach mehrwöchiger Reise durch Mauretanien und Mali war ich im Februar letzten Jahres wieder in dem mir bekannten Hotel in Dakar angekommen. Da ich wie immer meinen Reiseprinzipien - alles essen, was man mir anbietet, überall hin mitkommen, wenn man mich auffordert - gefolgt war, war ich nicht nur erschöpft sondern auch - wenn auch nur leicht - magenkrank. Übrigens führt dieses mein Verhalten zumindest bei mir üblicherweise nicht zu den Problemen, die man befürchten sollte, sondern meistens zu guten Kontakten und leckeren Mahlzeiten. Hin und wieder geht es mal schief, bis jetzt noch nicht richtig ernsthaft, aber im Allgemeinen ist meiner Meinung nach - abgesehen von natürlicher Vorsicht und einigen einzuhaltenden Regeln - die Angst vor fremdem Essen oder Bakterien und den darauffolgenden Krankheiten oft eine sich selbsterfüllende Prophezeiung; das Gleiche gilt im Übrigen auch für Menschen und Situationen.
Ich war also abgeschlagen und bat den Portier Ibrahim, mir eine Masseuse kommen zu lassen, deren Anzeigen im Hotel aushingen. Nach einer halben Stunde erschien eine adrette, etwa vierzigjährige Marokkanerin, die sich auch sogleich äußerst fachfräulich zu Werke machte; ich bitte Euch, Euch selbst und Eure frivolen Gedanken in die Ecke zu stellen und zu büßen, liebe geile Leser. Wir kamen ins Gespräch, das heißt, sie erzählte und knetete; ich grunzte und machte mitunter andere offensichtlich ermutigende Geräusche. Mouna, wie sie natürlich nicht hieß, war lange mit einem senegalesischen General verheiratet gewesen und hatte mit diesem zwei mittlerweile erwachsene Kinder. Inzwischen war sie geschieden und genoss das Leben als alleinstehende Frau ohne größere Geldsorgen. Sie war - wie ich bezeugen kann - wirklich gut in ihrem Beruf und wurde zum Beispiel vom Sultan von Weißnichtmehr aus den Emiraten regelmäßig mit dem Flugzeug dorthin bestellt, um ihm und seinem Harem ihre geschickten Hände und die ihr eigene besondere Kenntnis des menschlichen Körpers zugute kommen zu lassen. Ich grunzte. Sie erzählte weiterhin aus ihrer Ehe mit dem General und behauptete zum Beispiel, dass viele Senegalesen sich im Hinblick auf die Naar, wie die Araber dort genannt werden, wesentlich arroganter und rassistischer verhalten würden als gegenüber uns Toubabs, den Weißen. Das ist mir durchaus vorstellbar, selbstverständlich auch in umgekehrter Richtung, läuft doch gerade dort die unscharfe Trennlinie zwischen Nord - und Schwarzafrika und die Konflikte und Verletzungen dort sind Hunderte und Tausende von Jahren alt. Mouna erzählte weiter, dass sie nach der Ehe einige Zeit einen Freund aus ....en gehabt habe, "Aber weißt du," meinte sie, " die ...er haben wirklich einfach viel zu kleine Penisse!" Ooh! Ich stöhnte unter ihren starken Händen, die eine Verspannung nach der anderen aus meinem schmerzenden Körper lösten. "Wirklich, ich hab es versucht mit ihm, er war reich und ganz in Ordnung, aber es ging nicht und auch seine Landsleute wissen einfach nicht, wie man eine Frau richtig für die Liebe vorbereitet, glaub mir." Ja, ich glaubte ihr, das leuchtete mir ein, hatte ich doch wirklich vor einigen Jahren bei einem Aufenthalt in ....en auf der Titelseite der größten dortigen Tageszeitung die Schlagzeile "Europäische Kondome zu groß für den .......en Penis" gelesen, den dazugehörigen Artikel aber nicht ganz verstanden, da er sich in ausgefeilt absurden medizinischen Details erging und Ratschläge physischer, psychologischer und spiritueller Natur gab, die ich nicht verstehen konnte. Seufzend schmolz ich weiter vor mich hin, es war warm an diesem Tag, und hörte zu, wie Mouna gerade heute morgen erst genau das Gleiche von ihrer Freundin gehört haben wollte. Diese hatte sich in den Kopf gesetzt, auch mal einen reichen .......en Mann zu haben und hatte Mouna, die durch ihren Freund mehrere ...er kannte, um Vermittlung gebeten. Aber auch da war das gleiche Problem aufgetreten: Sein Teil war viel zu klein, und dazu hatte er auch noch keine Ahnung, was er damit machen sollte. Das kam für Mounas Freundin nicht in Frage und der Kerl war sofort wieder aus dem Spiel. Tja, Geld ist nicht alles, dachte ich, und auch noch so Einiges mehr, genau wie ihr jetzt und auch die beiden Damen und besonders auch wie Mouna bei der Arbeit an mir, ich wusste nur nicht genau, was. Mouna knotete und renkte, ölte, trocknete.
"Du kannst froh sein, dass ich keine Senegalesin bin!"
"Ach ja, warum denn das?" murmelte ich unter ihrem sanftem Streicheln. "Das sind Bestien, Bestien sind das, sag ich dir, sie kennen genau die Punkte an Deinem Körper; pass auf, siehst Du, hier am Fuß zum Beispiel, dieser Punkt, siehst du, da drücken sie drauf und sofort steht dein Penis stramm, und dann, ja dann stürzen sie sich auf Dich!" Aha, dann stürzen sie sich auf mich, dachte ich so ungefähr oder vielleicht auch nicht; nun ja, ich gebe zu, ich war verwirrt, doch sehr entspannt, drum ließ ich sie weiter ihre Massage beenden. Aha. So. Ich ließ mir den Punkt nochmal genau zeigen, damit niemand aus Versehen oder geradezu absichtlich darauf drücken könnte. Das war doch mal interessant! Ich bemerkte es kaum, als Mouna fertig war und ihre Utensilien zusammenpackte, hatte ich doch Einiges gelernt. Es war eine tolle Massage, und sie war ja Marokkanerin und hatte mich gewarnt und ich hatte sie verstanden. Es herrschte Eintracht zwischen uns, wirklich; sie beendete ihren Aufenthalt , wir machten uns noch gegenseitig Komplimente, sie gab mir ihre Telefonnummer und wir schieden in Frieden. Nächstes Mal ruf ich sie an und lass mich wieder massieren, mal sehen, was es Neues aus ....en gibt.