Das ZDF Kulturflagschiff ASPEKTE läßt es sich nicht nehmen, in der Sendung am 14.06.2013 um 23:00 Uhr über den großen Erfolg des GlobalMusicOrchestra bei seiner Tournee im Mai 2013 durch die afrikanischen Staaten Senegal und Guinea-Bissau zu berichten. Ein Team hat Mike Herting und die Musiker begleitet. Nach der Ausstrahlung ist Sendung auch noch in der ZDF Mediathek zu sehen.
Endlich ist es soweit: Mike Herting und Djiby Diabate haben ihre erste CD "Saint-Louis Blooze" fertiggestellt. Im März wird sie erscheinen und bei einem Konzert am 19.3. im Stadtgarten zu Köln vorgestellt. Die beiden haben sich letztes Jahr auf den Straßen von Dakar kennegelernt und sind gleich darauf zum Jazzfestival in Saint-Louis im Senegal eingeladen worden. Nach diesem sehr erfolgreichen Konzert sind sie im Juli ins Studio gegangen. Zitat eines Kollegen: "Tolles Zusammenspiel, wunderschöne Platte!" Kommt zum Konzert!
21.02.2013
Fernsehen in Afrika
Eine der angenehmeren Seiten des Reisens ist der - jedenfalls für mich - gänzlich andere Umgang mit dem Fernsehen: ich selbst mache es so gut wie nie in Hotelzimmern oder Privatunterkünften an. Deutsche Gastgeber im Ausland haben nach meiner Erfahrung auch nicht wirklich Freude an fremdsprachigem Fernsehen; selbst wenn man die Sprache des jeweiligen Senders gut beherrscht, gelingt es dem Zuschauer doch nicht, sich wirklich für die Figuren und den soziokulturellen Hintergrund des Geschehens zu interessieren. Man schaut, wenn's geht, das Fußballspiel der Mannschaft, die einen interessiert; vielleicht mal die Nachrichten, obwohl das Internet auch in Afrika diese besser abbildet.
Bei den Afrikanern dagegen gehört es zum guten Ton, den Fernseher einzuschalten wenn Gäste kommen, vorausgesetzt er läuft nicht schon, wie er das für gewöhnlich den lieben langen Tag tut. Meistens dudelt irgendwas bei schlechtem Bild, die Kinder hängen natürlich davor; in Restaurants essen die Gäste mit den Augen auf den Bildschirm geheftet.
Für den vom öffentlich - rechtlichen Rundfunk verwöhnten (keine Angst, ich werde es mir zur Pflicht machen, in einem späteren Artikel dieses Wort und meine desungeachtet
keineswegs milde Haltung zu erklären) Deutschen ist es einfach unfassbar, was in bonbonfarbenen Lichtschwaden in afrikanische Behausungen quillt. Zwei junge Frauen habe ich gesehen, in einer noch leeren Gaststätte,vor einer aus dem Fernseher platzenden afrikanischen Musiksendung voller US-Pop-Abklatschen aus Westafrika; Talent verschwendet, Musik zerrissen, Traditionen verbraten, Neue Sklaven des Kapitals und der Mohrrübe, die dieses den afrikanischen Künstlern vor die Nase hängt und der jene getreulich hinterher laufen; nicht dass es bei uns anders wäre. Beide Damen konnten alles auswendig, sangen mit, träumten von dieser Existenz als Sternchen, nicht anders als die Mädchen hier. Und doch berührt es mich noch anders als hier, hier bin ich mir meiner Kultur sicherer, kritisiere ich mit dem Bewusstsein, dass meine Kritik für sich schon der Motor der Veränderung ist, was sonst! Aber dort... Nicht umsonst klagen meine Musikerfreunde in Dakar, dass sich nichts entwickelt, dass ihre eigene Kultur in dieser Stadt, dem Einfallstor des Westens, sich dem Diktat des Tourismus und dem fremdbestimmten Massengeschmack unterwirft.
Billigserien, die an kaum einem anderen Ort als Afrika ihre Viertverwertung erfahren könnten, sprengen alle Grenzen der Vorstellungskraft was Schauspiel, Thema, Durchführung, Licht und Musik angeht; die Botschaft dieser Machwerke ist so hundsgemein, glanzpoliert und darauf angelegt, unterprivilegierte Menschen zu sinnlosen Wünschen zu animieren, daß man im Vergleich dazu das Dschungelcamp getrost als Rentenwohnheim für behinderte Familienmitglieder betrachten kann, die auch mal ihren Spaß haben wollen. Hoffentlich hält die Kraft der oralen Kultur die Afrikaner davon ab, noch mehr und weiterhin den Vorreitern der Plastikkultur zu verfallen! In der Wüste habe ich Reihen von brandneuen Solarkollektoren gesehen, das Beduinenzelt gleich nebenan präsentierte stolz eine Satellitenantenne. Ja, Bildung ist das Wichtigste, steht auch im Vertrag der Öffentlich - Rechtlichen , aber ich habe meine Zweifel, ob die vielleicht im Programm versteckten Bildungsleckerli das Durchschnittspublikum erreicht, in Deutschland jedenfalls nicht. Obwohl, man findet Pflänzchen in der kleinsten Lücke: Ramesh Shotham und ich waren in Dakar bei der Schwiegermutter eines Freundes eingeladen und zwar extra deshalb, damit diese sich mit Ramesh in Hindi unterhalten konnte, was sie durch endloses Anschauen von untertitelten Bollywoodschinken gelernt hatte; siehste, sagt Sat.1, hab ich doch immer gesagt, sagt RTL.
20.02.2013
Fünfzehn Mal am Tag - Afrikanisches Immunsystem -
Saint-Louis Blooze
Seit vier Tagen bin ich wieder in Deutschland und nur die in Afrika erworbene Widerstandskraft schützt mich gegen die akute Grippewelle(sagen die Afrikaner, die ich angerufen habe). Alle, aber auch alle liegen darnieder, inklusive meiner Frau Sabine. Ich wasche mir fünfzehn Mal am Tag die Hände und hoffe auf das Beste.
Wie immer komme ich aus Afrika mit viel Energie zurück; ich stehe einfach auf Kommunikation, je direkter desto besser, und die schon mehrfach beschriebene orale Kultur der Afrikaner ist, wenn man sie in Europa richtig anwendet, erstaunlich effektiv, ganz abgesehen davon, dass sie schnell ist und Spaß macht. Ich habe mir vorgenommen, diese Seite der Kommunikation zu stärken, selbstverständlich ohne auf diesen Blog oder Emails zu verzichten.
Dominik Seidler vom Deutschen Musikrat führt einen heldenhaften Kampf um die Bezuschussung der Afrika-Tournee mit den entsprechenden Stellen. Dabei stoßen wir überall, beim Goethe-Institut und beim Auswärtigen Amt auf Wohlwollen und Verständnis, aber der Teufel steckt wie so oft im Detail. Afrikanische Wirklichkeit in Excel-Tabellen abzubilden ist eben eine besondere Kunst, aber ich bin sicher, das wird uns auch noch gelingen. Täglich maile und telefoniere ich mit Afrika, besonders mit Prof. Jeismann vom Goethe-Institut und unserem Tourmanager Balde, der sich immer mehr als Glücksgriff entpuppt und alles, was geht, möglich macht. Ich denke, wir sind ganz gut aufgestellt, und das läßt mich trotz der sicherlich zu erwartenden Probleme und Änderungen vor Ort ruhig schlafen. Eigentlich unglaublich, was wir in den drei Wochen in Afrika erreicht haben, im Nachhinein war das ganz schön gewagt, was wir uns so vorgenommen haben. Aber wenn das jetzt klappt, dann wird es etwas ganz Besonderes! Inzwischen habe ich eine ungefähre Idee von Darstellung und Klang der Musik, die wir aufführen werden, und das Gute dabei ist, es ist ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe! Gestern habe ich meinen Freund, den großen afrikanischen Schlagzeuger Mokthar Samba angerufen und ihn gefragt, wo ich denn Gnawa-Musik erleben könnte. Dazu ist zu sagen, dass die Gnawa seit Jahrhunderten sich zwischen Guinea (daher Gnawa) und Marroko hin-und herbewegen und ich, als ich sie zum ersten Mal gehört habe, sogleich dachte: Hier ist ein Ursprung des Jazz, 12er und 6er Rhythmen, die zweifellos in den Swing geführt haben. Gnawa spielen oft mit den doppelten Löffeln aus Metall, und wer das kennt, weiß, wovon ich schreibe. Diese Transformation der Sechs in die Vier ist wirklich ein großes Geheimnis, und ich möchte das in der Musik unserer Afrikareise darstellen.
Na, Mokthar sagte gleich: Essaouira, die etwas nördlich von Agadir gelegene Stadt am Meer in Marokko, da sind viele und auch die besten Gnawa, er kennt natürlich einige. Um die Musik für den Mai zu schreiben - ich muss doch viel mehr selbst komponieren, als ich ursprünglich dachte - hatte ich mir überlegt, einige Tage an der Schnittstelle zwischen Schwarz und Weiß in Klausur zu gehen und abends Gnawa-Musik zu hören. Nun wird es halt Essaouira und die Tickets habe ich schon. Gerade läuft die Freundes-Maschine an und ich hoffe, die richtigen Telefonnummern und Adressen in Essaouira zu bekommen, sonst fahre ich eben so hin.
Am Wochenende habe ich zum ersten Mal "Saint-Louis Blooze", Djiby Diabates und meine erste CD in den Händen gehabt, die wir am 19. März mit einem Konzert im Stadtgarten vorstellen werden. Mir gefällt sie wirklich gut - was keinesfalls den Normalfall darstellt, Musiker wissen, wovon ich spreche! - und die erste Reaktion eines geschätzten Kollegen war: "Tolles Zusammenspiel, sehr schöne Platte!" Na, das macht Mut, und ich hoffe, auch Euch gefällt diese Musik und ihr kommt vielleicht sogar zum Konzert!
Endlich ist es soweit: Mike Herting und Djiby Diabate haben ihre erste CD "Saint-Louis Blooze" fertiggestellt. Im März wird sie erscheinen und bei einem Konzert am 19.3. im Stadtgarten zu Köln vorgestellt. Die beiden haben sich letztes Jahr auf den Straßen von Dakar kennegelernt und sind gleich darauf zum Jazzfestival in Saint-Louis im Senegal eingeladen worden. Nach diesem sehr erfolgreichen Konzert sind sie im Juli ins Studio gegangen. Zitat eines Kollegen: "Tolles Zusammenspiel, wunderschöne Platte!" Kommt zum Konzert!
16.02.2013
Viel zu kleine Penisse
Tja, ich habe aus Versehen den Titel dieser kleinen Geschichte, die ich letztes Jahr in Dakar erlebt habe, auf Facebook gepostet und stehe jetzt unter dem Druck der neugierigen Öffentlichkeit, die von mir wissen will, was das bedeuten soll; und vor allem, was das mit Musik zu tun hat? Wenn ich das wüsste! Eigentlich nichts, aber dennoch auch alles, entscheidet selbst. Außerdem muss ich vorsichtig sein, nicht des Rassismus verdächtigt zu werden, auch wenn ich sozusagen nur einen Bericht weitergebe, und werde deshalb anrüchige Bezeichnungen schwärzen, obwohl es mir scheint, dass selbst das Schwärzen zumindest tendenziell rassistisch ist. Da es das Weißen aber bei genauerem Nachdenken auch wäre, und ich beides und auch alle anderen Farben und Religionen mit meinem Gerät sowieso nicht kann, werde ich mich dieser Gefahr durch das bewährte neutrale wertfreie Pünktchen - Setzen entziehen.(Das arme Pünktchen! War es nicht einmal ein Punkt? Schluss jetzt damit!)
Nach mehrwöchiger Reise durch Mauretanien und Mali war ich im Februar letzten Jahres wieder in dem mir bekannten Hotel in Dakar angekommen. Da ich wie immer meinen Reiseprinzipien - alles essen, was man mir anbietet, überall hin mitkommen, wenn man mich auffordert - gefolgt war, war ich nicht nur erschöpft sondern auch - wenn auch nur leicht - magenkrank. Übrigens führt dieses mein Verhalten zumindest bei mir üblicherweise nicht zu den Problemen, die man befürchten sollte, sondern meistens zu guten Kontakten und leckeren Mahlzeiten. Hin und wieder geht es mal schief, bis jetzt noch nicht richtig ernsthaft, aber im Allgemeinen ist meiner Meinung nach - abgesehen von natürlicher Vorsicht und einigen einzuhaltenden Regeln - die Angst vor fremdem Essen oder Bakterien und den darauffolgenden Krankheiten oft eine sich selbsterfüllende Prophezeiung; das Gleiche gilt im Übrigen auch für Menschen und Situationen.
Ich war also abgeschlagen und bat den Portier Ibrahim, mir eine Masseuse kommen zu lassen, deren Anzeigen im Hotel aushingen. Nach einer halben Stunde erschien eine adrette, etwa vierzigjährige Marokkanerin, die sich auch sogleich äußerst fachfräulich zu Werke machte; ich bitte Euch, Euch selbst und Eure frivolen Gedanken in die Ecke zu stellen und zu büßen, liebe geile Leser. Wir kamen ins Gespräch, das heißt, sie erzählte und knetete; ich grunzte und machte mitunter andere offensichtlich ermutigende Geräusche. Mouna, wie sie natürlich nicht hieß, war lange mit einem senegalesischen General verheiratet gewesen und hatte mit diesem zwei mittlerweile erwachsene Kinder. Inzwischen war sie geschieden und genoss das Leben als alleinstehende Frau ohne größere Geldsorgen. Sie war - wie ich bezeugen kann - wirklich gut in ihrem Beruf und wurde zum Beispiel vom Sultan von Weißnichtmehr aus den Emiraten regelmäßig mit dem Flugzeug dorthin bestellt, um ihm und seinem Harem ihre geschickten Hände und die ihr eigene besondere Kenntnis des menschlichen Körpers zugute kommen zu lassen. Ich grunzte. Sie erzählte weiterhin aus ihrer Ehe mit dem General und behauptete zum Beispiel, dass viele Senegalesen sich im Hinblick auf die Naar, wie die Araber dort genannt werden, wesentlich arroganter und rassistischer verhalten würden als gegenüber uns Toubabs, den Weißen. Das ist mir durchaus vorstellbar, selbstverständlich auch in umgekehrter Richtung, läuft doch gerade dort die unscharfe Trennlinie zwischen Nord - und Schwarzafrika und die Konflikte und Verletzungen dort sind Hunderte und Tausende von Jahren alt. Mouna erzählte weiter, dass sie nach der Ehe einige Zeit einen Freund aus ....en gehabt habe, "Aber weißt du," meinte sie, " die ...er haben wirklich einfach viel zu kleine Penisse!" Ooh! Ich stöhnte unter ihren starken Händen, die eine Verspannung nach der anderen aus meinem schmerzenden Körper lösten. "Wirklich, ich hab es versucht mit ihm, er war reich und ganz in Ordnung, aber es ging nicht und auch seine Landsleute wissen einfach nicht, wie man eine Frau richtig für die Liebe vorbereitet, glaub mir." Ja, ich glaubte ihr, das leuchtete mir ein, hatte ich doch wirklich vor einigen Jahren bei einem Aufenthalt in ....en auf der Titelseite der größten dortigen Tageszeitung die Schlagzeile "Europäische Kondome zu groß für den .......en Penis" gelesen, den dazugehörigen Artikel aber nicht ganz verstanden, da er sich in ausgefeilt absurden medizinischen Details erging und Ratschläge physischer, psychologischer und spiritueller Natur gab, die ich nicht verstehen konnte. Seufzend schmolz ich weiter vor mich hin, es war warm an diesem Tag, und hörte zu, wie Mouna gerade heute morgen erst genau das Gleiche von ihrer Freundin gehört haben wollte. Diese hatte sich in den Kopf gesetzt, auch mal einen reichen .......en Mann zu haben und hatte Mouna, die durch ihren Freund mehrere ...er kannte, um Vermittlung gebeten. Aber auch da war das gleiche Problem aufgetreten: Sein Teil war viel zu klein, und dazu hatte er auch noch keine Ahnung, was er damit machen sollte. Das kam für Mounas Freundin nicht in Frage und der Kerl war sofort wieder aus dem Spiel. Tja, Geld ist nicht alles, dachte ich, und auch noch so Einiges mehr, genau wie ihr jetzt und auch die beiden Damen und besonders auch wie Mouna bei der Arbeit an mir, ich wusste nur nicht genau, was. Mouna knotete und renkte, ölte, trocknete.
"Du kannst froh sein, dass ich keine Senegalesin bin!"
"Ach ja, warum denn das?" murmelte ich unter ihrem sanftem Streicheln. "Das sind Bestien, Bestien sind das, sag ich dir, sie kennen genau die Punkte an Deinem Körper; pass auf, siehst Du, hier am Fuß zum Beispiel, dieser Punkt, siehst du, da drücken sie drauf und sofort steht dein Penis stramm, und dann, ja dann stürzen sie sich auf Dich!" Aha, dann stürzen sie sich auf mich, dachte ich so ungefähr oder vielleicht auch nicht; nun ja, ich gebe zu, ich war verwirrt, doch sehr entspannt, drum ließ ich sie weiter ihre Massage beenden. Aha. So. Ich ließ mir den Punkt nochmal genau zeigen, damit niemand aus Versehen oder geradezu absichtlich darauf drücken könnte. Das war doch mal interessant! Ich bemerkte es kaum, als Mouna fertig war und ihre Utensilien zusammenpackte, hatte ich doch Einiges gelernt. Es war eine tolle Massage, und sie war ja Marokkanerin und hatte mich gewarnt und ich hatte sie verstanden. Es herrschte Eintracht zwischen uns, wirklich; sie beendete ihren Aufenthalt , wir machten uns noch gegenseitig Komplimente, sie gab mir ihre Telefonnummer und wir schieden in Frieden. Nächstes Mal ruf ich sie an und lass mich wieder massieren, mal sehen, was es Neues aus ....en gibt.
16.02.2013
Von Dakar nach Köln oder Kleine Kamele
Es war der erwartet elende Rückflug von Dakar, um 23.15 Uhr ging die Maschine nach Madrid. Um kurz nach vier dort angekommen musste ich knapp fünf Stunden auf den Weiterflug nach Düsseldorf warten. Wie auf allen modernen Flughäfen haben auch in Madrid sadistische Innenarchitekten die Stuhlreihen so mit Lehnen versehen, dass man auf keinen Fall darauf liegen kann; stellen die sich vor, dass der Flughafen nachts von Pennern infiltriert wird, die Augen und Geruchssinn der morgendlichen Konzernkrieger belästigen könnten? Unter Aufbietung akrobatischer (Hallo?) Fähigkeiten gelang es mir, mit schmerzenden Lenden und Knochen, die sich um die metallenen Folterinstrumente falteten, eine halbe Stunde zu dösen. Dann resignierte ich und wanderte die das Oberlicht spiegelnden blankgeputzten Fliesen entlang, bis mir schwindlig wurde, im Ernst. Gut, dass endlich ein Café aufmachte, und gut, dass ich die spanische Art mag, die mich mich gleich innerlich aufrichten lässt, wenn ich nur höre, wie der lässige Caballero hinter der Theke mich mit :"Que quieres tomar?" nach meinen Wünschen fragt. Endlich saß ich in dem mit Fußballfans (Real Madrid gegen United Manchester am Vorabend!) vollgestopften Flieger nach Düsseldorf. Die Fans waren genauso erledigt wie ich, und gemeinsam verbrachten wir zwei weitere miserable Stunden in dem für Zwerge gebauten Apparat. Am Flughafen wartete der gute Heiner Wiberny mit Hut und Mantel für mich, Heiner war gerade vor mir in Dakar und weiß über das bittere Schicksal des nachts von Afrika Zurückfliegenden.
Genug davon, umso schöner war mein Bett, das ich allerdings erst nach Beantwortung der jetzt ständig auflaufenden Emails aus Afrika zu sehen bekam. Seit heute morgen geht das weiter, ich bin in Köln und Afrika zugleich, erst ein Treffen mit den Kollegen vom Globalmusicorchestra, Walter Pütz und Ralf Plaschke, die CD von Djiby Diabate und mir ist fertig!, sie heißt "Saint-Louis Blooze", beim nächsten Mal mehr davon. Dann kam Dominik Seidler vom Deutschen Musikrat, der dort für das BuJazzO zuständig ist. Dominik ist ein verlässlicher und enthusiastischer Partner, der es ertrug und möglich machte, dass ich meine in meinem Kopf gespeicherten Informationen durch ihn und seine Tastatur hindurch in vierstündiger, intensiver und pausenloser Prozedur auf seine Excel-Tabellen übertragen konnte, die wiederum erst unsere Reise möglich machen....ich musste die Zahlen und Daten unbedingt loswerden, um Platz für die Musik zu schaffen, die jetzt aber auch unbedingt rausgelassen werden will und schon heftig drängelt. Tja; so dachte ich jedenfalls, und liege nun hier um drei Uhr morgens, es rattern Afrika und Ziffern, Möglichkeiten und Probleme, und vor allem Erinnerungen an Menschen und Augenblicke der letzten drei Wochen in mir herum. Was soll's, ich schick das hier jetzt ab und dann zähl ich halt Schäfchen. Oder Zicklein. Oder vielleicht besser kleine Kamele.
05.02.2013
Zum Frauenglück
Jetzt bin ich wieder in Saint-Louis, und das ging so:
Heute morgen kam wie verabredet Ousmane und kurz darauf sein Onkel. Dieser, ein Taxifahrer, sollte mich zum Gare Routier bringen, wo die Autos nach Rosso abgehen. Er setzte mich in ein Auto, blieb aber daneben stehen; aus gutem Grund, wie sich zeigte, da kurz darauf ein Polizist erschien, ein großes Geschrei losging und ich schon kurze Zeit später wieder in Onkels Taxi saß; da, wie er mir erklärte, der andere Fahrer ein Bandit ohne Lizenz sei, der mich gewiss geschröpft (Onkel sagte, die Kehle aufgeschlitzt, na ja) hätte. Auf jeden Fall fand er einen Freund, in dessen Taxi ich bald darauf saß und zwei Stunden auf die Abfahrt warten musste....Dann aber ging's flott nach Rosso, wo mich wieder Abdul erwartete. Dank dessen bargeldloser Magie brach ich meinen eigenen Weltrekord im Überqueren der mauretanischen Grenze, da ich drei Minuten später schon auf der Fähre stand. Fast(aber nur fast) hätten mir einige Touristen leidgetan, die mich mit gequälten Gesichtern an ihnen vorbeihuschen sahen; genau so wie übrigens die ungarischen Teilnehmer einer Rally Weißichwas. Die waren vor mir in der senegalesischen Grenzstation angekommen und befanden sich in einem großen Disput mit dem dortigen Beamten, was diesem überhaupt nicht gefiel. So nahm er demonstrativ meinen Pass und drückte seinen Stempel hinein, einfach um zu zeigen, dass er das gut kann, aber nicht bei wütenden Rallyefahrern....
Einem geschenkten Gaul...und schon saß ich im nächsten Wagen nach Saint-Louis. Der Vordersitz in diesen Taxis ist der teuerste, weil bequemste. Der war leider schon besetzt, und so nahm ich den zweitbesten Platz, zweite Reihe Fenster - so dachte ich, leider ließ sich das Fenster nicht hochkurbeln, sodass ich ohne meinen Turban sicher nicht gesund angekommen wäre. Nacheinander kamen wie in drei Zollkontrollen, bei denen meine afrikanischen Mitreisenden alle ihre Sachen aus- und wieder einpacken mussten. Mein Toubab-Gepäck blieb unbehelligt, ist doch mal ein Tip für Schmuggler... Im Gedächtnis geblieben ist mir ein einsames Gebäude mitten im senegalesischen Nichts, dessen Neonschild die Aufschrift "Au Bonheur des dames", was auf Deutsch etwa "Zum Frauenglück" heißen mag, trug. Ich komme nicht dahinter, was sich wohl in diesem Gebäude verbergen mag....
Insgesamt dauerte die Reise neun Stunden, und ich war froh, in meinem Hotel in Saint-Louis anzukommen. Dort traf kurz darauf der Koraspieler Ablaye Sissoko ein, der einer der Hauptprotagonisten unserer musikalischen Reise sein wird. Mit ihm habe ich verschiedene Details abgeklärt, und er wird mich, wie abgesprochen, im März in Köln besuchen, um die musikalische Linie auszuarbeiten. Ablaye ist ein "accomplished artist" und ich freue mich schon sehr auf unsere Zusammenarbeit. Gerade habe ich noch ein Dossier für die morgen tagende Programmkommission geschrieben und bin wirklich hundemüde, ein Zustand, der, wie ich bemerke, sich in letzter Zeit immer häufiger einzustellen scheint.
Aber nur Mut! Morgen geht's schon weiter nach Dakar!
04.02.2013 Mauretanischer Tee So langsam fordert diese intensive Reise ihren Tribut von mir ein. Heute morgen war ich ziemlich erschlagen und bin in meiner Herberge geblieben und habe an die Decke geschaut. Mittags wurde ich abgeholt und zu Maaloumas Stiftung gebracht, wo ich mit Ali und Maaloumas Bruder weiter an dem Projekt der Notation der maurischen Musik arbeitete. Schon allein deswegen muss ich wieder nach Nouakchott zurückkommen und werde dieses Projekt dem Goethe-Institut unterbreiten, hoffentlich finden wir dort Unterstützung. Später fuhren wir gemeinsam zu Cheikh Labiat, einem weiteren bekannten Sänger, den ich schon letztes Jahr kennengelernt hatte. Cheikh ist ohne jede Ausbildung, aber unglaublich musikalisch begabt. Er stammt aus dem Westen Mauretaniens, ein Saharaoui mit einer wunderbaren Stimme und untrüglichem rhythmischen Gefühl sowie, man höre und staune, großem harmonischen Einfühlungsvermögen, das er mir auf der Gitarre demonstrierte. Er strahlt die Unmittelbarkeit und Wärme der Wüstenbewohner aus und hat gemeinsam mit Ali den Nachmittag über für mich gespielt. Leider wird Maalouma wohl nicht nach Saint-Louis zum Festival kommen, ich habe stattdessen Ali und Cheikh gebeten, gemeinsam mit uns im Mai in Saint-Louis zu bleiben. Morgen früh geht's wieder zurück nach Saint-Louis, die Zeit scheint nur so davon zu fliegen! Ich werde wohl wieder in ein Taxi nach Rosso gesetzt werden, wo mich ein weiteres Mal Abdul über die Grenze bringen soll. In Saint-Louis erwartet mich Ablaye Sissoko, mit dem ich anderen Tags nach Dakar fahren soll, um an der Konferenz der Programmkommission des Festivals teilzunehmen. Übrigens möchte ich nicht versäumen zu erwähnen, dass in Mauretanien seit dem ersten Januar diesen Jahres Plastiktüten verboten sind, da können wir uns eine Scheibe von abschneiden (natürlich nicht von der Plastiktüte!). Wie wichtig das für Westafrika ist, wird deutlich werden, wenn ich aus Guinea-Bissau berichte; falls sich dort nichts geändert hat, werde ich die Erde nicht berühren, sondern auf Plastik wandeln; verzeiht die - wenn auch nur geringfügige - Übertreibung. So, bei Cheikh gab's Unmengen des starken mauretanischen Tees, mal sehen, wie lange der mich noch wachhält... A demain! P.S. Heute streikt in Mauretanien das Internet, deshalb kann ich mein Blog wohl erst wieder morgen früh oder im Senegal veröffentlichen, bis dann!
02.02.2013
Pharmazie Auweyya
Morgens um neun wartete ich also wie verabredet auf den Fahrer Sidi, der nicht kam. Als ich nach einer Viertelstunde anrief, sagte er, er habe nur auf meinen Anruf gewartet, er sei gleich da. Naja, eine halbe Stunde später kam - nicht Sidi, sondern jemand anders, den er für den Job subkontraktiert hatte. Der brachte mich auf der sehr guten Straße in anderthalb Stunden nach Rosso, dem Grenzflecken am Senegalfluss. Hier gab's das übliche Gequirle und Gewühle, ich ließ mich gleich in die senegalesische Polizeistation treiben, wo ich problemlos meinen Stempel bekam und dann kurz auf Abdul, Alys Cousin, wartete. Gemeinsam fuhren wir in einer Barkasse über den Fluss. Direkt an der Anlegestelle ist die so gefürchtete Grenze. Abdul verschwand mit meinem Pass, und nach zehn Minuten kam er wieder und schon war ich in Mauretanien, ohne einen einzigen Beamten gesehen zu haben; das muss doch eine Art Rekord sein, denn selbst Aly war erstaunt darüber, als ich ihm davon erzählte. Abdul brachte mich zum Gare Routier und setzte mich in ein achtsitziges Fahrzeug, das auch vollbeladen sofort aufbrach. Es war eng, aber gemütlich, neben mir saß ein Afrikaner, der sowas von haargenau wie mein Freund Carlos Robalo aussah, dass ich ihn fragte, ob er vom selben Stamm sei; war aber Fehlanzeige.
Die Gegend, durch die das Taxi nach Nouakchott fuhr, ist absolut desolat, ich frage mich, wovon die Menschen dort leben, wo sie ihr Wasser herbekommen. Auf den ersten fünfzig Kilometern hinter dem Fluss sieht man noch niedrige Bäume, danach nur noch Gestrüpp. Alles ist von dem allgegenwärtigen Sand überzogen, meistens ist es menschenleer. Ab und zu tauchen Siedlungen rechts und links der Straße auf; diese bestehen aus kleinen Backsteinbauten, Wellblechhütten, Beduinenzelten und jeder denkbaren Kombination der drei Behausungsarten. Einige der Ansiedlungen haben brandneue Solarkollektoren, und ich durfte zum ersten Mal ein Beduinenzelt mit Satellitenantenne erblicken, ein etwas zwiespältiges Gefühl. Im Gedächtnis geblieben ist mir die am Straßenrand gelegene Pharmazie Auweyya, die hätte bestimmt auch in Deutschland ihre Kundschaft!
Die ganze Zeit über ließ der Fahrer mauretanische Volksmusik laufen, eine repetitive Musik von großer Kraft und Wildheit. Auf der Fahrt hat sich mir diese Musik ein wenig durch die Landschaft erschlossen, ich fühlte mich entspannt und begriff zur gleichen Zeit die Freundlichkeit und die Härte der hier lebenden Menschen. Europa, Talkshows, Oktoberfest, Mindestlohn, Brüderles Problem - dies sind nur einige der Ideen und Konzepte, die hier absolut keinen Sinn ergeben. Die Wüste gebiert große Krieger, die mit sowenig existieren können, dass westliche Soldaten selbst mit überlegener Ausrüstung und Logistik es schwer haben, gegen diese Menschen in der Wüste zu bestehen, kein Wunder!
Alle paar Kilometer muss man anhalten und an den Polizei- und Militärposten Papiere vorzeigen; alles lief aber höchst korrekt und zivil, die Kontrolleure verabschiedeten mich immer mit einem "Bienvenu au Mauretanie", vielleicht habe ich auch einfach nur Glück gehabt. Gegen halb vier erreichten wir Nouakchott, wo mich der Fahrer an dem Wahrzeichen der drei Strommasten(sind halt drei Strommasten) absetzte. Kurz darauf kam Aly und holte mich ab. Wir fuhren gleich zu Maaloumas Haus, die ein Essen vorbereitet hatte. Ich habe sie nur drei Tage lang kennengelernt letztes Jahr, es war, als wäre ich nie weg gewesen. Maalouma hat ein Klavier und wir haben unser Projekt besprochen und ein wenig gespielt. Sie ist Senatorin und sprach mit mir über ihre Furcht, dass Mauretanien in den Konflikt in Mali verwickelt würde. Diese Dame ist eine Repräsentantin des wahren, des offenen und freiheitlichen Islam! Übrigens erklärte sie mir, dass das Wort Islam selbst von Salam, Frieden, kommt, und alle die, die im Namen des Islam Krieg führen, per Definitionen das Falsche tun. Sie teilt meine Meinung, dass der afrikanische Islam, den ich weiter oben beschrieben habe, der wahre und richtige Weg ist, wenn man denn eine Religion braucht. Obwohl sie selbst arabische und maurische Wurzeln hat, ist sie überzeugt, dass der saudische und generell arabische Islam die falschen Prioritäten setzt, würden doch alle Muslims so denken!
Ich fühle mich sehr privilegiert, den heutigen Tag auf oben beschriebene Weise verbracht zu haben, es ist wunderbar, hier in der Wüste von Menschen einer vollkommen fremdartigen Kultur empfangen und als Freund gesehen zu werden, schon wieder etwas, was man nicht kaufen kann!